Bärlauchsuche - zwei Tote

Gastronomie
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   Bärlauch, der Frühlingsbote. Für zwei unvorsichtige Sammler wurde das Wunderkraut indirekt zum Todesboten: Verwechslung mit der giftigen Herbstzeitlosen. Mehr...

Bärlauch - Verwechslungsgefahr beachten! Mehr...

von artichox-Chefredakteur Christian Meyer

Bärlauch, der Frühlingsbote. Das würzige Pflänzchen schiesst wieder wie eh und je gewaltig ins Kraut. Und dies mitten in der Pandemie. Ein Jammer. Denn die meisten Restaurant in unseren Breiten sind im Shutdown. An schattigen und feuchten Lagen in den Wäldern sorgt das Zwiebelgewächs mit dem strengen Geruch für frisches Grün. Hobby- und Profiköchinnen- und köche gleichermassen  schwärmen jetzt  aus, um sich seiner habhaft zu werden. (wischen/klicken)

♦Ob aktuell für den privaten Haushalt oder bestenfalls für die Hotelgäste, in der Suppe oder im Salat, als Pesto oder Füllung, roh oder gekocht – Bärlauch ist in Sachen Vielseitigkeit kaum zu schlagen. Etwa zu Teigwaren: In der Pfanne kurz in Olivenöl oder Butter geschwenkt, wird der klein geschnittene Bärlauch einfach über die Pasta gegeben. Das ist nur ein Beispiel für ein simples und zugleich herrlich schmeckendes Gericht. Allerdings ist es nichts für Leute, die Knoblauch verabscheuen. Denn der typische Geruch stammt bei beiden Pflanzen (aus der Familie der Zwiebelgewächse) unter anderem von schwefelhaltigen Substanzen. Geschätzt ist Bärlauch auch als Würze im Salat:  Zur Abwechslung bestreut man Mischsalat vom Kühlregal statt mit Petersilie oder Schnittlauch mit fein geschnittenem Bärlauch. Und erst, wenn sich Knospen bilden! Im Einmachglas (sauer, nach Gurkenrezept, aber ohne zu kochen) halten sich die delikaten Dinger ein paar Wochen. Kurz darauf, je nach Wetter, liefert uns der Knoblauch wunderschöne weisse Blüten zur exklusiven Dekoration auf dem Teller. Das müssen wir uns wohl für 2022 merken - bestenfalls.

Für Sternekoch Nik Gygax (†1957-2020) dem ehemaligen Küchenchef vom Gasthof Löwen im bernischen Thörigen, war  Bärlauch mit frischen Morcheln (bitte Vorsichtsmassnahmen beim Sammeln beachten) ein Festessen. Der Frühlingspilz wurde beim Meisterkoch zusammen mit dem fein geschnittenen Kraut in schaumiger oder brauner Butter geschwenkt. «Ist noch selbst gemachter Kartoffelstock dazu auf dem Teller, kann ich auf Fleisch verzichten. Ein gebratenes Kalbssteak oder ein pochierter Fisch passen jedoch ausgezeichnet dazu», sagte der früher in mehreren Restaurantführern erwähnte Küchenchef anlässlich eines Interviews mit artichox.
Gab es weitere Bärlauchgerichte im «Löwen»? Nik Gygax redete sich warm, sprühte geradezu vor Ideen. So stand gelegentlich mit Bärläuch gefüllte Zickleinschulter (in der Schweiz sagt man "Gitzi") auf seiner Frühlingskarte. Das Gericht wurde bei Nik wie folgt zubereitet: Das von Knochen befreite Stück Fleisch wurde aufgeschnitten, mit Bärlauch gefüllt, gewürzt und anschliessend in den Ofen geschoben. Dekorativ wirkt bei diesem Rezept die intensive grüne Farbe des fein geschnittenen Bärlauchs in der Mitte der Bratentranche auf dem Teller. Nach Belieben kann dem Gericht mit einigen Spritzern Bärlauchpesto (siehe unten) Grandezza verliehen werden.
Für ein schnelles Ostergericht kann man auch einfach fein geschnittenen Bärlauch in schaumiger Butter kurz erhitzen und  beim Anrichten über den fertigen Gitzibraten oder über ein Kalbssteak geben. Bärlauch passt ebenfalls sehr gut zu Kaninchen und Lamm.
Oder: In Scheiben geschnittener, blanchierter Spargel, in Olivenöl gedämpft und mit etwas Peperoncini gewürzt, auf einem Teller als Bett anrichten. Darauf setzt man eine gebratene Fischtranche.  Mit einem Büschel Bärlauch und etwas Pesto garnieren.
Heisser Tip: Kurz bevor der Bärlauch weisse Blüten trieb, sammelte Nik Gygax jeweils die Knospen ein und konservierte sie wie Kapern in Essig. Verwendet wurden die Bärlauchknospen in seiner Küche für exklusive Gerichte, zum Beispiel für Roche an Weissweinsauce. Bärlauch wurde im «Löwen» auch im Mixer püriert und mit Mayonnaise oder Sauce Hollandaise vermischt. «Das passt hervorragend zu Hummer und Langusten», dozierte damals der verstorbene Meisterkoch mit der Vorliebe zu Meeresgetier von Frankreichs Atlantikküste. Ein ehrendes Andenken an dieser Stelle.

www.baerlauch.net/


Sammeln. Erfahrene Sammler halten generell nichts davon, Kräuter an Strassenrändern, Spazierwegen und in der Nähe von Parkplätzen zu sammeln. Einwandfreien Bärlauch erntet man vorzugsweise an etwas abgelegenen Orten, wobei feuchte, leichte Hanglagen und Waldränder mit etwas Morgensonne und Schatten am Nachmittag zu bevorzugen sind.
Mit Bärlauchsammeln  - überhaupt mit Kräutersammeln -  kann man gleich zwei Hobbys verbinden: Man bewegt sich in der freien Natur und kann gleichzeitig dem Sammeltrieb frönen. Wer darauf pfeift oder keine Zeit für solche Aktivitäten aufbringen will, besorgt sich seinen Bund Bärlauch auf dem Wochenmarkt oder beim Gemüsehändler – was Ungeübten ohnehin zu empfehlen ist. Denn nicht alles, was wie Bärlauch aussieht, ist Bärlauch. In der Nähe des echten Wildkrauts finden sich gelegentlich Giftpflanzen, an die man kaum denkt, weil sie zu dieser Jahreszeit nur Blätter, jedoch keine Blüten tragen (siehe unten).
Bärlauch (Allium ursinum) gilt traditionell als Heilpflanze. Empfehlenswert gegen Bluthochdruck und Arteriosklerose ist gemäss der Berner Kräuterapotheke Noyer eine Tinktur aus Bärlauch. Zur Unterstützung der Nieren und speziell zur Ausscheidung von Schwermetallen, beispielsweise Amalgam, empfiehlt die Apotheke ebenfalls ein Bärlauchpräparat. Frischer oder getrockneter Bärlauch ist ferner ein bekanntes Hausmittel gegen Verdauungsstörungen, Leberleiden, Gallenbeschwerden und Stoffwechselentgleisungen.
Wer den Bärlauch bequem ernten und möglichst frisch verarbeiten will, setzt auf Eigenanbau. Voraussetzung ist freilich, man verfügt über den geeigneten Umschwung. Bärlauch liebt feuchte und schattige Standorte unter Gebüschen und Hartholz sowie humose, lockere und feuchte Böden.

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Gefahr. Ungeübte Sammler verwechseln den Bärlauch gelegentlich mit den Blättern der Herbstzeitlosen. Letztere enthalten ein hochwirksames Zellgift, das Colchicin, welches schon in Dosen von weniger als 1 mg pro kg Körpergewicht lebensgefährlich wird. «Wir verzeichnen in Europa jedes Jahr mehrere schwere Vergiftungsfälle. Eine Colchicin-Vergiftung kann schlimmstenfalls tödlich enden», sagt Hugo Kupferschmidt, Direktor des Schweizerischen Toxikologischen Informations-Zentrums in Zürich. Als Merkmale einer Colchicin-Vergiftung nennt Kupferschmidt Übelkeit, Erbrechen und heftige Durchfälle, welche einige Stunden nach Genuss der Mahlzeit auftreten.

Bärlauch - die Merkmale. So lassen sich Pflanzen einwandfrei unterscheiden: Die Blätter des Bärlauchs sind gestielt, elliptisch und verströmen den charakteristischen Knoblauchgeruch. Ausserdem sind die Blätter gemäss Kupferschmidt sehr dünn und welken rasch. «Die Blätter der Herbstzeitlosen dagegen sind ungestielt wie bei Tulpen, lanzettlich, ohne Geruch. Ausserdem fühlen sie sich etwas dicker und ledern an.» Gelegentlich wird der Bärlauch auch mit dem Maiglöckchen verwechselt. Das Blatt dieser geschützten Pflanze ist ebenfalls deutlich dicker und geruchlos.

 

Ausführliche Beschreibung und Darstellung der Pflanzen und über das Verhalten bei Vergiftungen auf der Website
www.toxi.ch

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Rezept: Bärlauch-Pesto von Nik Gygax, Gasthof
Löwen, Thörigen BE
Zutaten: eine Hand voll frisch gepflückte Bärlauchblätter, 1–1,5 dl kalt-
gepresstes Olivenöl, Salz, Pfeffer aus der Mühle.
Zubereitung: Alles im Mixer zu Purée verarbeiten, anschliessend nach
Belieben einige gehackte, angeröstete Pinienkerne
und etwas geriebenen Parmesan daruntermischen.
Falls der Pesto nicht sofort verwendet wird,
einige Tropfen Zitronensaft oder Ascorbinsäure
zur Farbstabilisierung beimischen.

(Quelle: artichox.com ©  2006-2021)

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